Mein Ziel ist es, dass wir wieder Leben ins ehemalige Kraftwerk in Zschornewitz und das dazugehörige Gelände bekommen. Ich bin im Vorstand des Vereins Forum Rathenau aktiv, da ich mitgestalten möchte, ein bisschen Verantwortung übernehmen und das Projekt mit vorwärtsbringen. „Das Interesse in der Bevölkerung, das Kraftwerk mit Leben zu füllen, ist riesengroß.“
Wir haben die Tür geöffnet zum Kraftwerk und ein Zeichen gesetzt, dass hier wieder Licht hineinkommt. Die Kraftwerkssenioren möchten diesen Ort bewahren und gestalten und auch Jüngere hier in Zschornewitz sind von diesem Ort begeistert und bereit, mitzuhelfen. Wir möchten hier Industrieansiedlungen und Startups fördern, Raum für junge Leute schaffen, Starthilfen geben, dass das Gelände zu einem Innovationszentrum wird, zu einem Zukunftsort.
Als Menschen bestehen wir aus sehr viel Kohlenstoff. Es ist falsch, Kohlenstoff zu verteufeln, nur weil wir das mit Kohle verbinden. Man muss auch das Positive sehen, was wir mit Kohlenstoff machen können, ihn nutzen und nicht nur verdammen.
Martina Schön betont die Verbindung des Ortes Zschornewitz mit dem einst größten Braunkohlekraftwerk weltweit. „Es hat den Ort geprägt“, sagt sie. „Wenn das Herz des Kraftwerks gut geschlagen hat, ging’s auch dem Ort gut“, so die Kraftwerksseniorin, Jahrgang 1953. Die ehemaligen Mitarbeitenden des Kraftwerks Zschornewitz, die sich als Kraftwerkssenioren zusammengeschlossen haben, möchten die Erinnerung an das Kraftwerk und ihre Arbeit lebendig halten und bewahren.
1995 wurde der erhaltene Teil des Kraftwerks zum Industriedenkmal. Die Kraftwerkssenioren boten Führungen an, und es fanden Veranstaltungen in den Räumlichkeiten statt. Der kleine Wunsch der Kraftwerkssenioren im größeren Rahmen des Forum Rathenau ist die Öffnung des Kraftwerks für die Bevölkerung, wie es lange Jahre der Fall war.
„Vom Kraftwerk sollen Impulse ausgehen. Es soll nicht nur ein Denkmal sein.“
Das Kraftwerk soll wieder ein Ort werden, an dem sich was tut, so die ehrenamtliche Ortsbürgermeisterin. Das Konzept des Forum Rathenau soll Leben ins Denkmal bringen, Workshops sollen stattfinden, es gibt Planungen, dass sich Firmen ansiedeln und neue Technologien gefördert werden. Schön: „Vom Kraftwerk sollen Impulse ausgehen. Es soll nicht nur ein Denkmal sein.“
Martina Schön ist regional verankert. Sie kam im Jahr 1974 erstmals für ein Praktikum im Rahmen ihres Studiums der Kraftwerkstechnik in Dresden ins Kraftwerk Zschornewitz. Im Jahr 1975 begann sie ihre Arbeit als Kraftwerksingenieurin im Kraftwerk Vockerode an der Elbe im Landkreis Wittenberg.
„Die Menschen hier wurden in das Leben mit dem Kraftwerk hineingeboren“
Später arbeitete sie in den Kraftwerken Zschornewitz und Lippendorf in Sachsen. Nach der Wende war sie im Kraftwerk Zschornewitz im Betriebsrat tätig und Betriebsratsvorsitzende. Das Kraftwerk hat ihr Leben und das Leben der anderen Bewohner:innen in Zschornewitz bestimmt. „Die Menschen hier wurden in das Leben mit dem Kraftwerk hineingeboren“, sagt sie. „Meine Kinder brauchten keine Uhr.
Wenn das Kraftwerk gepfiffen hat, gab es Mittagessen“, erzählt Schön. Die Bewohner wussten allerdings auch, dass sie keine weiße Unterwäsche kaufen brauchten, da es Asche rieselte. Die Wohnungen waren vom Kraftwerk umgeben, und man fühlte sich als Gemeinschaft.
„Der Ort wurde aus dem Dornröschenschlaf wachgeküsst.“
Die Sprengung von weiten Teilen des Kraftwerks Zschornewitz im Jahr 1992 empfand sie als schlimm: „Es ist ein Stück Leben von uns, das gesprengt wird.“ „Ich kann’s gar nicht mehr sehen“, zitiert sie einen anderen Kraftwerker.
Allerdings sind die Mitarbeitenden entschädigt worden, so Schön. Es gab Abfindungen, Altersteilzeit und weitere Regelungen. Außerdem hatte Zschornewitz Glück: Die Siedlung wurde in die Liste der EXPO-Projekte aufgenommen und von 1997 bis 1999 umfangreich saniert. Schön: „Der Ort wurde aus dem Dornröschenschlaf wachgeküsst.“ Aber man muss sich kümmern, so Schön.
Autorin: Simone Everts-Lang