Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Hüttl im Interview

Interview im Vorfeld des CarbonCycleCultureClub (C4) „Ist CO2 der Rohstoff der Zukunft?“

„CO2 ist sicherlich ein interessantes Molekül, das wir in Zukunft auch als Rohstoff nutzen können.“

Mit dem Geschäftsführenden Gesellschafter, Geschäftsführer und Wissenschaftlichen Direktor der EEI Eco-Environment Innovation GmbH Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Hüttl hat sich unsere Redakteurin Simone Everts-Lang unterhalten.

Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Hüttl Foto: EEI Eco-Environment Innovation GmbH

Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Hüttl war beim CarbonCycleCultureClub (C4) am Donnerstag, 30. Mai 2024, im Industrie- und Filmmuseum Wolfen zu Gast. Er diskutierte mit weiteren Podiumsgästen Chancen und Risiken von Carbon Capture and Storage (CCS) und Carbon Capture and Utilization (CCU) und den Aufbau einer postfossilen Kreislaufwirtschaft mit CO2.

Ist CO2 der Rohstoff der Zukunft?

Prof. Hüttl: Das ist eine gute Frage. Ob es der Rohstoff der Zukunft ist, das weiß ich nicht, es gibt wahrscheinlich noch eine ganze Reihe von Stoffen, die man in Zukunft brauchen wird, aber es ist sicherlich ein interessantes Molekül, das wir in Zukunft auch als Rohstoff nutzen können. Es wird ja zur Zeit nur bedingt genutzt.

Wie könnten Sie sich eine effektivere Nutzung von CO2 als Rohstoff vorstellen?

Prof. Hüttl: Erstmal müsste man überlegen: Wo kommt das CO2 her? Wo kommt der Rohstoff her? Wie können wir ihn gewinnen? Das wäre die erste Frage. Wie ist er verfügbar? Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Bei der Nutzung fossiler Rohstoffe, wie Kohle, Öl und Gas, aber auch bei der Biomasseverbrennung wird das CO2 in die Atmosphäre entlassen. Es wäre ein Ansatz, das CO2 abzuscheiden und einzufangen, um es dann für entsprechende Zwecke zu nutzen. Man kann also CO2 als Rohstoff gewinnen, bevor es in die Atmosphäre gelangt. Das geht zum Beispiel auch bei Gas, indem man das sogenannte „Enhanced Gas Recovery“ (EGR) durchführt. Direkt bei der Gewinnung von CH4, also Erdgas, scheidet man den Kohlenstoff durch Dampfreformierung als CO2 ab und verbringt dieses in verflüssigter Form unmittelbar an der Bohrstelle wieder in den Untergrund, um den Druck in der Gaslagerstätte aufrecht zu erhalten. Nur so gelingt es letztlich die bei nachlassendem Druck im Gaslager verbleibenden 40 – 45 % Erdgas zu fördern. Der bei der Dampfreformierung anfallende Wasserstoff wird als blauer Wasserstoff bezeichnet und gilt als klimaneutrale Form der Wasserstoffbereitstellung. Diesen blauen Wasserstoff kann man dann entweder direkt nutzen oder man kann ihn wieder mit CO2 verbinden, das man dort gewinnt, wo es sonst in die Atmosphäre entlassen wird. Zum Beispiel im Rahmen der Braunkohleverbrennung oder bei der Zementproduktion in Verbindung mit CO2-Abscheidung, um dann dieses CO2 zu nutzen und daraus synthetische Kraftstoffe herzustellen, so genannte E-Fuels oder auch synthetisches Gas. Dazu kann man auch CO2 aus Müll-Verbrennungsanlagen oder auch aus anderen Biomasse-Verbrennungsprozessen nutzen. Dann kommt man in eine CO2-Kreislaufwirtschaft und kann damit zum Beispiel im Mobilitätsbereich oder auch im Sektor Wärme aktiv werden. In der Mobilität ist ja nicht der Antrieb, der Motor das Problem, sondern der Kraftstoff. Es ist ja auch nicht die Heizung an sich das Problem, sondern der Brennstoff, den wir nutzen. Da kann – und wird – diese Nutzung von Wasserstoff und synthetischen Produkten eine wichtige Rolle spielen.

Gibt es derzeit schon erfolgreiche Anwendungen mit blauem Wasserstoff in Verbindung mit CO2?

Professor Hüttl: Es gibt Anwendungen. Allerdings sind größere Anwendungen nach wie vor in der Diskussion, weil nicht wirklich klar ist, wo die Reise hingeht. Wir haben zum Beispiel die große Diskussion zur Elektromobilität. Ist es die Elektromobilität oder bleibt es der Verbrenner, also der konventionelle Motor, aber mit sauberen Kraftstoffen. Diese Diskussion geht hin und her. Deswegen gibt es noch nicht die großen Anwendungen, wie man sie eigentlich bräuchte. Man braucht derartige klimaneutrale Kraftstoffe definitiv für den Flugverkehr, man braucht sie für die Schifffahrt, man braucht sie aber auch für den landgebundenen Verkehr, beispielsweise für die Bahnen, die zum Teil mit Diesel fahren. Wenn man sich diesen Bedarf weltweit vorstellt, ist das ein absolutes Muss, aber im Moment ist die Diskussion eben noch nicht entschieden und das sind jeweils große Investitionen, die damit verbunden sind, auch technologische Entwicklungen, die nur bedingt vorankommen.

Das Problem von CO2 ist, dass es ein Molekül ist, das relativ lange in der Atmosphäre stabil bleibt, also sicherlich 100 Jahre. Manche sagen auch über 1000 Jahre. Es ist auf jeden Fall längerfristig stabil in der Atmosphäre.

Und bevor wir große Anstrengungen unternehmen mit dem so genannten Direct Air Capture (DAC), also direkt CO2 wieder aus der Atmosphäre zu gewinnen, ist es natürlich erstmal sinnvoll, das CO2, das wir schon in die Atmosphäre emittieren, zu verwenden. Das CO2 einzufangen, abzuscheiden und in einen Kreislauf zu führen ist zielführend, weil man damit die Nutzung von immer wieder neuen fossilen Rohstoffen ersetzt.

Das ist vor allem im Kraftwerksbereich, im Bereich der chemischen Industrie, das ist bei der Bauwirtschaft, vor allem bei der Zementproduktion ein Thema. Dann ist die Frage, was mache ich mit dem CO2? Wo kann ich es einsetzen? Da kann ich zumindest dort ansetzen, wo ich jetzt noch fossiles CO2 aus der Gewinnung neuer fossiler Kraftstoffe nutze, zum Beispiel bei den Kraftstoffen und den Brennstoffen – als E-Fuels und synthetisches Gas. Dann kann ich die Infrastruktur, die ich habe, behalten und muss nicht riesige Mengen an Beton, an Stahl, an Kunststoff produzieren, was ja alles im Wesentlichen noch konventionell produziert wird und wieder riesige Mengen CO2 in die Atmosphäre entlässt. Das ist eigentlich unser Hauptansatz. Die wirkliche Bilanzierung des CO2-Fußabdrucks und daraus abgeleitet die sinnvolle Nutzung von CO2 als Rohstoff.

Wir haben für den blauen Wasserstoff das Enhanced Gas Recovery Verfahren beschrieben. Dann gibt es noch die Möglichkeit, das CO2 zu einem späteren Zeitpunkt abzuscheiden, um es sicher zu speichern. Das wäre dann das Thema CCS, Carbon Capture and Storage ­- also CO2 in geologischen Formationen speichern, wo es sicher verwahrt werden kann. Dabei handelt es sich immer um Speicher und nicht um ein Endlager. Denn speichern heißt, ich muss auch zeigen, dass ich es wieder rückgewinnen kann, jedenfalls in Teilen. Es ist eine Speichertechnologie und keine Endlagertechnologie. Auch aus dem Grund heraus, dass man es vielleicht später in einem größeren Umfang wieder nutzen kann. Andererseits ist es natürlich aus so, dass es in den geologischen Formationen zu Mineralisierungsprozessen kommt und das CO2 dabei fest gebunden wird. Zum Beispiel als Karbonat, zum Beispiel Calciumcarbonat, das hängt von den geologischen Beschaffenheiten des Untergrundes ab. Isländische und deutsche Geowissenschaftler konnten zeigen, dass injiziertes CO2 in Basalt oder vulkanischem Gestein innerhalb kurzer Zeit mineralisiert, sprich in karbonatischer Form stabil gebunden wird und so wieder als Gestein rückgewinnbar ist.

Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Carbon-Management-Strategie des Bundes? Ist das für die Entwicklung der postfossilen Kreislaufwirtschaft eine wichtige Voraussetzung?

Prof. Hüttl: Es geht auf jeden Fall in die richtige Richtung. Aus meiner Sicht ist es schade, dass wir das CO2 nicht im eigenen Land verbringen wollen. Durch Speicherung in geologischen Formationen, unter terrestrischen Bedingungen oder eben auch unter Marinebedingungen. Man könnte das in der deutschen Nord- oder Ostsee machen, jedenfalls dort, wo das geologisch sinnvoll ist. Im Moment ist es so, dass man überlegt, eine Pipeline zu bauen, zum Beispiel nach Dänemark oder Norwegen, um unser CO2 dort oder in UK in marinen Sedimenten zu speichern. Das ist eine Option, selbstverständlich. Andererseits hat die zuständige Behörde des Bundeswirtschaftsministeriums nachgewiesen, dass wir CO2 in großen Mengen in Deutschland sicher speichern könnten. Es ist aus meiner Sicht immer etwas schwierig, Probleme mit dem Argument zu verlagern, das sollen mal andere machen. Wir wollen das nicht bei uns haben, weil wir irgendwie davon ausgehen, dass es ein Problem wäre. Wobei die Forschung in Deutschland gezeigt hat, dass man CO2 sicher speichern kann. Aber die Carbon-Management-Strategie ist immerhin ein Ansatz, der dieses Problem angeht, und sich mit der Option der CO2-Abscheidung – und Speicherung – auseinandersetzt. Es folgt dann natürlich die Frage der Nutzung von CO2, nicht nur die Speicherung, sondern vor allem die Nutzung, zum Beispiel in synthetischen Kraftstoffen oder synthetischen Brennstoffe – als synthetisches Gas.

Aus meiner Sicht ist der Ansatz „all electric“, wir machen alles mit Strom, nicht vernünftig, sondern wir brauchen Moleküle. Wir brauchen Ersatz für fossile Rohstoffe. Das ist etwas anderes als Strom. Strom sind Elektronen. Die kann man nutzen, die kann man aber nur schlecht speichern. Natürlich kann man Batterien bauen und so weiter. Das ist jedoch sehr begrenzt. Deswegen ist eben die Frage hoch relevant: Müssen wir das ganze System umbauen, oder können wir Teile des Systems weiter nutzen? Wenn wir alles neu bauen, kreieren wir einen erheblichen CO2-Fußabdruck. Man muss sich mal vorstellen, wenn den deutschen Weg die ganze Welt gehen würde, was das für einen CO2-Fußabdruck ergeben würde. Es wäre eine bemerkenswerte Entwicklung zu mehr Klimadynamik. Da gibt es überhaupt keinen Zweifel. Das ist einfach nicht machbar.

Sie haben jetzt noch einmal betont, dass es ja möglich ist, das CO2 sicher zu speichern. Können Sie das auch mit Ihrer eigenen Forschung bestätigen?

Professor Hüttl: Wir haben damals die Forschung am Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) Potsdam initiiert bzw. weitergeführt. Die Idee wurde dort wesentlich entwickelt. Das ist ein Verfahren, wozu die Erlaubnis des zuständigen Bergamtes, also der zuständigen Behörde benötigt wird. Das Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe Brandenburg (LBGR) hat das genehmigt. Sie müssen zeigen, dass das sicher ist und, dass sie die Bohrung zur CO2-Einspeisung wieder sicher verschließen können. All diese Rahmenbedingungen sind bei dem Projekt in Ketzin, wo wir zur Speicherung eine geologische Formation genutzt haben, die porös ist, erfüllt worden. Über dieser Schicht befinden sich zwei so genannte Deckschichten aus Ton, sodass also definitiv ein Austritt des Gases aus dieser darunter liegenden geologischen Formation nicht möglich ist. Das ist genauso sicher wie dort, wo sich Erdgasspeicher im Untergrund befinden. Und deswegen ist es auch sicher, CO2 in solchen Formationen zu speichern. Wir hatten die Forschung betrieben und die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) hat dann gezeigt, wo sich solche Formationen in Deutschland befinden, um CO2 sicher zu speichern. Da gibt es auch eine Karte, die auch vom Spiegel veröffentlicht worden ist. Also war das Thema in der breiten Diskussion.

Wenn sie CO2 nutzen wollen, können sie es in der chemischen Industrie für Polyurethane oder ähnliches nutzen. Da gibt es eine gewisse Anwendung, aber die ist begrenzt. Die größere Anwendung wäre für Mobilität und Wärme. Gerade dort, wo man Elektro nicht nutzen kann. Dazu brauchen sie Wasserstoff. Eigentlich ist für die CO2-Nutzung die Frage: Habe ich klimaneutralen Wasserstoff? Wo kommt der Wasserstoff her? Der kann aus Wind und Sonne kommen, mit Wasserspaltung durch Elektrolyse. Im Moment wird der Wasserstoff ja im Wesentlichen mit Erdgas gewonnen. Es gibt in Frankreich Überlegungen, Wasserstoff in großen Mengen mit Kernenergie herzustellen. Wenn sie Nukleartechnologie haben, also CO2-freien Strom, dann können sie natürlich mit diesem Strom auch Wasser spalten – also damit die Elektrolyse betreiben. Der Wasserstoff ist dann die Basis für die Nutzung von CO2. Das CO2 erhalten sie aus den Abscheidungsprozessen. Oder sie können es auch wieder aus dem Untergrund holen, weil wie bereits gesagt, die Rückgewinnung grundsätzlich möglich sein muss. Sie dürfen einen Speicher nicht verschließen, wenn sie nicht vorher zeigen, dass sie das CO2, jedenfalls in Teilen, wieder zurückholen können. Das mussten wir in Ketzin auch zeigen. Die Genehmigung des sicheren Verschlusses kriegen sie nur vom Bergamt, wenn sie zeigen können, dass auch eine Rückförderung möglich ist.

Und der Teil, der nicht zurückgeholt werden kann. Bereitet der eventuell zu einem späteren Zeitpunkt Probleme?

Professor Hüttl: Nein, der Punkt ist ja, dass der Teil, der nicht zurückgewonnen werden kann, sich dann mit dem Gestein verbindet, mineralisiert wird. Die Geschwindigkeit und Intensität dieses Prozesses hängt davon ab, wie das Gestein aufgebaut ist, wie die Rahmenbedingungen sind. Da gibt es aktuell weitere Forschung. Nur wir haben leider auch die Forschung nicht vorangebracht. Das CO2 kann auch in ausgeförderten oder in teilweise ausgeförderten Gaslagerstätten und Öllagerstätten gespeichert werden. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Wie oben dargelegt, können sie es auch gleich bei der Gasförderung abscheiden und wieder verbringen. Dann ziehen sie dem Gas den Kohlenstoff über CO2 ab und sie haben sauberen Wasserstoff. Den können sie übrigens auch mit Gas zusammen transportieren, weil sie das gut trennen können. Das Wasserstoff-Molekül hat eine andere Struktur als das Erdgas, das CH4. Sie können es dann sogar in Teilen gemeinsam verbrennen. Unsere Anlagen vertragen einen Anteil von fünf, zehn bis 20 Prozent von Wasserstoff gemeinsam mit Erdgas. Eigentlich schade, dass wir in diesem ganzen technologischen Kontext nicht viel weiter geforscht und weiter gearbeitet haben, um einfach die Option zu haben. Am Ende soll die Politik entscheiden. Das ist das Privileg und die Aufgabe der Politik. Es ist die Aufgabe von Wissenschaft und Wirtschaft, die Optionen zu erarbeiten. Das ist eigentlich mein Punkt. Wir brauchen diese Technologieoffenheit.

Sie hatten die Atomenergie in Frankreich erwähnt. Wäre Atomenergie aus Ihrer Sicht für Deutschland sinnvoll?

Professor Hüttl: Das ist eine politische Entscheidung. Ich war 2011 in der Ethik-Kommission der Kanzlerin. Wir haben damals die Frage der Kanzlerin mit ja beantwortet – also ob Deutschland aus der Kernenergie aussteigen kann. Da haben wir gesagt, ja, innerhalb von zehn Jahren ist das möglich, weil wir andere Optionen haben. Also, wir haben die Erneuerbaren Energien, wir haben das billige Gas aus Russland, wir bauen eine weitere Pipeline, also Nordstream 2 und wir haben die eigene Braunkohle, die machen wir sauber mit CCS. Nur, das hat sich so nicht bewahrheitet. Von daher muss man auch diese Frage neu stellen. Wir waren auch eingebunden in die Diskussion in Dubai, jetzt, bei dem letzten Klimagipfel. Es sind dort zwei Allianzen gegründet worden, einmal ein großer Verbund, geführt von den Amerikanern, und dann ein europäischer Verbund mit zwölf Staaten unter der Leitung von Frankreich. Nun geht es darum, die Weiterentwicklung und Umsetzung dieser Technologien voranzubringen. Das gilt auch für China, das gilt für Indien, das gilt für Südkorea und viele andere Staaten. Aber wie gesagt, ich bleibe dabei. Es ist die Aufgabe bzw. das Privileg der Politik, sich für oder gegen bestimmte Technologien zu entscheiden, aber dass dazu erforscht werden muss, das hat auch die Ethik-Kommission gesagt. – Es war ein wichtiger Punkt der Ethik-Kommission zu sagen, auch wenn wir aussteigen, sollten wir die Forschung voranbringen. Deutschland hat die Kernspaltung entdeckt. Das ist eine deutsche Technologie. Dafür gab es den Nobelpreis. Da ist es aus meiner Sicht notwendig, ob man die Technologie dann nutzt oder nicht, sie zu erforschen. Das gilt auch für den Umgang mit dem Atom-Müll: Muss man so viel Müll produzieren mit der Kernenergie? Kann man nicht effizienter arbeiten mit der Generation IV und V und so weiter? Und das gilt natürlich auch für die Fusionstechnologie. Kernfusion also, das ist sozusagen das Gegenteil von der Spaltung. Und als Technologie-Nation muss man natürlich mitreden können. Sie können ja gar nicht mitreden, wenn sie keine Forschungsergebnisse haben. Wir können auch im Moment nicht mehr mitreden bei CO2-Speicherung im Untergrund. Das ist eben vor etwa zehn Jahren beendet worden und seitdem gibt es praktisch keine Forschung mehr bei uns. Und das gleiche gilt auch für die Kernenergie. Sie können eine so komplexe Problematik nicht einfach mal bei einer Konferenz irgendwo im Ausland zur Kenntnis nehmen. Das geht nicht. Sie müssen selbst forschen, um tatsächlich ernsthaft mitreden und Risiken sowie Chancen fundiert einschätzen zu können. Das sieht man ja auch bei der Batterieforschung. Oder bei der grünen Gentechnik. Jede Nation, jeder Staat hat einen eigenen Kontext, gesellschaftspolitische Diskussionen, mehr oder weniger Risikobereitschaft. Aber wenn man die Option nicht hat, dann kann man diese Diskussionen auch nicht offen und glaubhaft evidenzbasiert führen.

Nehmen sie mal die Photovoltaik. Am Anfang, war die Kilowattstunde ja gar nicht zu bezahlen, heute haben wir eine ganz andere Situation. Aber auch da hat man es nicht verstanden, diese Technologie bei uns zu halten. Heute führen wir über 90 Prozent der Photovoltaikmodule ein und sind froh, dass wir sie billig aus China bekommen. Wenn wir sie bei uns herstellen würden, wären sie teurer, dann wäre der Erneuerbare Strom noch teurer als er ohnehin schon ist.

Was wäre da aus Ihrer Sicht das Wichtigste, um die Technologien bei uns zu halten und zu entwickeln?

Professor Hüttl: Forschung und Entwicklung: Das fängt schon damit an, dass sie dafür Leute haben. Wenn sie eine Technologie negativ in der Öffentlichkeit darstellen, faktisch verteufeln, dann gibt es auch nicht so viele junge Leute, die sich begeistern für dieses Thema. Sie brauchen gerade für die komplexen Themen kreative Leute. Das ist eine sehr anspruchsvolle Technologie. Die müssen eine positive Perspektive haben. Kann ich damit etwas werden? Es muss dann auch ein gesellschaftliches Umfeld geschaffen werden. Wenn sie das alles schlecht reden, dann gibt’s auch keine Professoren, die das gerne machen. Das ist schon eine größere Anstrengung. Also wenn man jetzt sagt, wir wollen einen Beitrag leisten zur Forschung, zur Sicherheit der Technologie, zur Frage wie gehen wir mit den Rückständen um, mit den Abfällen, dann benötigen sie sehr gut ausgebildete Experten. Dazu wird in vielen Ländern intensiv geforscht, da die Brennstäbe bis zu 90 Prozent wertvolle Materialien enthalten, die noch viel Energiepotential und viel interessante Rohstoffe enthalten. Da ist natürlich die Frage, muss ich das alles sicher tief in der Erde verbringen für eine Millionen Jahre, oder kann ich, wie zum Beispiel die Franzosen, sagen, wir machen jetzt ein Lager, ein Tiefenlager, so dass wir für 300 Jahre ganz sicher sind. Und vielleicht holen wir die Stoffe wieder raus, weil wir diese wieder brauchen, weil wir neue Technologien entwickelt haben. Auch die Schweizer sprechen von einem sicheren Tiefenlager. Da ist dann immer noch die Frage der Proliferation, also kann man das militärisch nutzen. Aber da haben wir ja heute auch eine ganz andere Diskussion. Plötzlich ist das Thema wieder eher positiv besetzt. Brauchen wir Atombomben ja, nein. Früher durfte man in der Forschung nichts machen, was militärisch irgendwie nutzbar wäre. Heute können sie gerne Forschung bereitstellen, um eben auch militärische Innovationen voranzubringen. So schnell ändert sich das. Aber wenn sie nichts haben, worauf sie sich beziehen können, müssen sie das im Ausland einkaufen. Die Forschung bzw. Entwicklung auch. Sie brauchen Studiengänge, sie brauchen Professuren, sie brauchen Forschungseinrichtungen, die Wirtschaft muss entsprechende Entwicklungen realisieren können. Das sind Prozesse, die lassen sich nicht so anschalten wie ein Schalter für Licht.

An welchem Land könnte sich Deutschland jetzt orientieren, um sich einerseits kritisch mit möglichen Gefahren und Umweltfolgen auseinanderzusetzen und andererseits die Forschung und Entwicklung zu fördern?

Professor Hüttl: Ich würde sagen, mit den Ländern, die sich damit beschäftigen. Wir kennen das zum Beispiel in Finnland, in Schweden, in Frankreich und in der Schweiz. Aber es gibt natürlich auch andere Länder wie Südkorea, Russland und China. Deutschland forscht zu dem Thema Endlager oder Tiefenlager von hochradioaktivem wärmeentwickeltem Atommüll mit Schweden, mit Frankreich und mit der Schweiz. Und es sind dann doch etwas andere geologische Verhältnisse bei uns als in den genannten Kooperationsländern.

Und für die CCU/CCS-Forschung. Wen können wir uns da als Beispiel nehmen?

Professor Hüttl: Wie gesagt, da waren wir sehr gut. Aber jetzt eben nur noch bedingt. Wir forschen ein wenig zu E-Fuels, aber in einem zu geringen Ausmaß. Sie kriegen ja die Diskussionen in Europa auch mit. Jetzt wird wieder das Verbrenneraus kritisch gesehen. Das geht hin und her. Es sind ja große Investitionen, die sie machen müssen. Es gibt zum Beispiel von Porsche in Chile so eine Anlage, aber auch da sind es unglaubliche Details. Ob man zum Beispiel das E-Fuel nach Deutschland einführen kann, ist eine Frage, da die CO2-Reduktion sozusagen schon in Chile, in deren Berechnung eingeht. Dann ist es eigentlich schlechtes CO2. Es ist einfach auch nicht mehr zu verstehen, was da bürokratisch abläuft. Sie brauchen Menschen, die das machen, und Firmen, die investieren, aber wenn sie sehen, dass das eigentlich nicht gewünscht ist, dann passiert es eben auch nicht. Jedenfalls nicht bei uns. Wobei, es wird kein Weg daran vorbeiführen. Es gibt überhaupt keine Alternative. Wenn wir fliegen wollen, das geht nur mit Kraftstoff, am besten mit synthetischen Kraftstoffen. Entsprechendes trifft auf die Schifffahrt zu. Ich bin fest davon überzeugt, dass die E-Fuels, die synthetischen Kraftstoffe, eine wichtige Rolle spielen werden. Die Fragen sind: Wo kommt das CO2 her? Das ist relativ einfach zu klären. Wo kommt der Wasserstoff her? Den brauchen wir als klimaneutralen Ausgangsstoff. Da ist die Frage, wer hat da die Nase vorn in der Wasserstoff-Bereitstellung. Das wird nicht mit Sonne und Wind alleine funktionieren, weil das fluktuierend ist. Sie brauchen für die chemischen Prozesse eine bestimmte Dauerhaftigkeit. Wer erforscht aktuell die CO2-Verbringung? Das ist Dänemark, Norwegen, England, aber auch USA, Kanada, es gibt auch afrikanische Staaten, auch China setzt sich mit dem Thema auseinander.