Vorstand im Forum Rathenau e.V.
Geschäftsführer der Chemiepark Bitterfeld-Wolfen GmbH
Das Forum Rathenau könnte die Klammer sein, die Zukunft selbst in die Hand zu nehmen, so Patrice Heine, einer der beiden Geschäftsführer des 1200 Hektar großen Chemieparks. Für den Chemiepark Bitterfeld-Wolfen ist das Mitwirken beim Forum ein besonderes Anliegen, da Walther Rathenau (1867 – 1922) einer der Gründerväter des Bitterfelder Chemie-Standorts war.
Der promovierte Physiker Rathenau leitete von 1893 bis 1899 den Aufbau der AEG-Tochter „Elektrochemische Werke“ (ECW) in Bitterfeld. 1895 nahm der älteste Sohn des AEG-Gründers in den ECW Elektrolyse-Versuche auf, um Magnesium aus Carnallit, ein aus Kalium-Magnesium-Chlorid bestehendes Mineral, zu gewinnen.
„Diesen Gründergedanken möchten wir fortsetzen“, sagt Heine. Rathenau steht für den Aufbau, für die Entwicklung von Neuem, so der Ingenieur der Umwelt- und Verfahrenstechnik. „Wir wollen das Thema Kohlenstoff aufspießen“, sagt der gebürtige Schweriner, „und es aus der Vergangenheit in die Zukunft führen.“ Trotz des Ziels der Treibhausgasneutralität werden wir auch zukünftig auf Kohlenstoff setzen, so der Chemiepark-Geschäftsführer.
„Lebende Materie ist Kohlenstoff“, erklärt der in der DDR aufgewachsene Ingenieur. „Wir brauchen Kohlenstoffverbindungen. Sie müssen allerdings woanders herkommen.“ Es geht um nachhaltige Kohlenstoffkreisläufe. Das Forum Rathenau sieht er als Plattform, um diese neue klimaneutrale Kohlenstoffkreislaufwirtschaft voranzutreiben und die Gedanken hierzu zu bündeln. So soll die Region selbst in die neutrale Kohlenstoffkreislaufwirtschaft geführt werden.
Auch hier geht es um Nachhaltigkeit, nämlich um die Produktion von Lithiumhydroxid für die Batterieproduktion von Elektromobilen. In den vergangenen Jahren hat er sich viel mit Wasserstoff befasst. Wasserstoff als Speichermedium ist sehr eng mit Kohlenstoff verwandt
Wo ist Kohlenstoff enthalten? Dies ist eine Fragestellung, die im Rahmen der Wissenschaftskommunikation beantwortet werden soll. Formate hierzu sind das Schülerlabor im Technologie- und Gründerzentrum des Chemieparks Bitterfeld und die Diskussionsrunde Carbon Cycle Culture Club C4, die jeden vierten Donnerstag im Monat im Kraftwerk Zschornewitz stattfindet.
Durch das Finden einer gemeinsamen Sprache der Beteiligten aus unterschiedlichen Bereichen wie Forschung, Wissenschaft, Schulen, Kultur und Industrie soll der Erkenntnisstand vorangetrieben werden, neue Denkansätze entstehen.
Die historischen Fabrikansiedlungen in Bitterfeld-Wolfen waren der Tatsache geschuldet, dass günstige Braunkohle zur Energiegewinnung vorhanden war. Chemische Fabriken sind sehr energieintensiv. Heine: „Es ging immer um Energie und es wird auch in Zukunft um Energie gehen.“
Der Chemiepark-Geschäftsführer erläutert, dass künftig voraussichtlich noch mehr Energie benötigt wird, die aber nicht aus Kohle, Erdgas oder Erdöl gewonnen werden kann: „Wir müssen uns etwas Neues einfallen lassen!“, sagt er. Aus seiner Sicht ist alles möglich. Dafür braucht es kluge Köpfe und einen guten Willen. Wasserstoff ist zum Beispiel seit mehr als 100 Jahren im Chemiepark im Überschuss vorhanden. Dieser war schon zu Rathenaus Zeiten in den Elektrolyse-Betrieben angefallen und wurde u.a. für den Betrieb der Luftschiffe verwendet. Heine sieht Wasserstoff als eine Brücke in die CO2-neutrale Zukunft.
Das Forum Rathenau beschreibt er als regionale Plattform, die eine neue Denkrichtung entstehen lassen könnte. Hier könnten unter breit gefächerter Beteiligung, ähnlich wie im Bauhaus, Vertreter aus ganz unterschiedlichen Bereichen zusammentreffen: Industrie, Kunst, Kultur und Wissenschaft. So könnten Denkprozesse angestoßen werden, die die Industriegesellschaft verändern und neue Stoffkreisläufe (nicht nur Kohlenstoff) entwickeln. Die Regeln und Vorgaben der Politik sind klar. „Die Region muss ihre Zukunft nun selbst gestalterisch in die Hand nehmen“, so der Ingenieur.
Mit dem Schüler-Labor, das durch das Forum Rathenau weiter ausgebaut werden soll, verfügt der Chemiepark über ein Instrument, um begabte Schüler:innen in ihrer Freizeit in besonderem Maße zu fördern. Geschäftsführer Heine sieht hier eine Möglichkeit, Talente frühzeitig zu identifizieren und zu fördern. „Sonst verschenkt die Gesellschaft Talente, die vielleicht das Potential haben, uns allen zu helfen“, sagt Heine. Und die werden als fachliche Kräfte in der Zukunft noch mehr gebraucht. Natürlich soll durch die Talentförderung auch die Region gestärkt werden.
Mit seiner Beteiligung am Forum Rathenau möchte der Chemiepark Bitterfeld-Wolfen ein Beispiel für Industrie und Unternehmer setzen, sich ebenfalls in der Tradition Walther Rathenaus zu beteiligen: „Das hier war vor 125 Jahren ein Startup“, sagt Heine und deutet auf die riesigen Flächen, die das Verwaltungsgebäude des Chemieparks umschließen und mit 360 Unternehmen bestückt sind.
Um einen Eindruck des 1200 Hektar großen Geländes zu erhalten, muss man ins Auto steigen; denn es gibt historische Bauten, Rohrleitungen, moderne Industrie und Freiflächen soweit das Auge reicht. „Da war hier vorher nichts“, sagt der Geschäftsführer. Dann kamen die modernen Fabriken und haben die Zukunft der Region bestimmt. In dieser Tradition soll es weitergehen, so der Umweltingenieur.
Autorin: Simone Everts-Lang