Martina Schön

Vorstand im Forum Rathenau e.V.
Ortsbürgermeisterin von Zschornewitz, einem Ortsteil der Stadt Gräfenhainichen, und ehemalige Mitarbeiterin des Kraftwerks Zschornewitz

Martina Schön betont die Verbindung des Ortes Zschornewitz mit dem einst größten Braunkohlekraftwerk weltweit. „Es hat den Ort geprägt“, sagt sie. „Wenn das Herz des Kraftwerks gut geschlagen hat, ging’s auch dem Ort gut“, so die Kraftwerksseniorin, Jahrgang 1953. Die ehemaligen Mitarbeitenden des Kraftwerks Zschornewitz, die sich als Kraftwerkssenioren zusammen­geschlossen haben, möchten die Erinnerung an das Kraftwerk und ihre Arbeit lebendig halten und bewahren.

1995 wurde der erhaltene Teil des Kraftwerks zum Industriedenkmal. Die Kraftwerks­senioren boten Führungen an, und es fanden Veranstaltungen in den Räumlichkeiten statt. Der kleine Wunsch der Kraftwerks­senioren im größeren Rahmen des Forum Rathenau ist die Öffnung des Kraftwerks für die Bevölk­erung, wie es lange Jahre der Fall war.

„Vom Kraftwerk sollen Impulse ausgehen. Es soll nicht nur ein Denkmal sein.“

Das Kraftwerk soll wieder ein Ort werden, an dem sich was tut, so die ehrenamtliche Ortsbürger­meisterin. Das Konzept des Forum Rathenau soll Leben ins Denkmal bringen, Workshops sollen stattfinden, es gibt Planungen, dass sich Firmen ansiedeln und neue Technologien gefördert werden. Schön: „Vom Kraftwerk sollen Impulse ausgehen. Es soll nicht nur ein Denkmal sein.“

Martina Schön ist regional verankert. Sie kam im Jahr 1974 erstmals für ein Praktikum im Rahmen ihres Studiums der Kraftwerkstechnik in Dresden ins Kraftwerk Zschornewitz. Im Jahr 1975 begann sie ihre Arbeit als Kraftwerks­ingenieurin im Kraftwerk Vockerode an der Elbe im Landkreis Wittenberg.

„Die Menschen hier wurden in das Leben mit dem Kraftwerk hinein­geboren“

Später arbeitete sie in den Kraftwerken Zschornewitz und Lippendorf in Sachsen. Nach der Wende war sie im Kraftwerk Zschornewitz im Betriebsrat tätig und Betriebsratsvorsitzende. Das Kraftwerk hat ihr Leben und das Leben der anderen Bewohner:innen in Zschornewitz bestimmt. „Die Menschen hier wurden in das Leben mit dem Kraftwerk hineingeboren“, sagt sie. „Meine Kinder brauchten keine Uhr.

Wenn das Kraftwerk gepfiffen hat, gab es Mittagessen“, erzählt Schön. Die Bewohner wussten allerdings auch, dass sie keine weiße Unterwäsche kaufen brauchten, da es Asche rieselte. Die Wohnungen waren vom Kraftwerk umgeben, und man fühlte sich als Gemeinschaft.

„Der Ort wurde aus dem Dorn­röschen­schlaf wach­geküsst.“

Die Sprengung von weiten Teilen des Kraftwerks Zschornewitz im Jahr 1992 empfand sie als schlimm: „Es ist ein Stück Leben von uns, das gesprengt wird.“ „Ich kann’s gar nicht mehr sehen“, zitiert sie einen anderen Kraftwerker.

Allerdings sind die Mitarbeitenden ent­schädigt worden, so Schön. Es gab Abfind­ungen, Altersteilzeit und weitere Regelungen. Außerdem hatte Zschornewitz Glück: Die Siedlung wurde in die Liste der EXPO-Projekte aufgenommen und von 1997 bis 1999 umfangreich saniert. Schön: „Der Ort wurde aus dem Dornröschenschlaf wachgeküsst.“ Aber man muss sich kümmern, so Schön.

Autorin: Simone Everts-Lang