Vergangene Veranstaltung
CarbonCycleCultureClub:
Rückblick: Sekundäre Rohstoffe

Wo kommen die Sekundärrohstoffe in einer dekarbonisierten Wirtschaft her?

Am 27. April 2022 lud das Forum Rathenau ab 18 Uhr abermals zum hybriden Carbon Cycle Culture Club (C4) ein. Fachexpert:innen diskutierten Perspektiven rund um „Sekundärrohstoffe in einer dekarbonisierten Wirtschaft“. Das Event wurde live gestreamt.

Mit der Änderung des Klimaschutzgesetzes hat die Bundesregierung die Klimaschutzvorgaben verschärft und das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 verankert. „In Deutschland entstehen derzeit als Nebenprodukt von Kohlenstoffprozessen wie Verbrennung oder Verhüttung zirka 30 Millionen Tonnen Sekundärrohstoffe jährlich“, sagt Professor Ralf Wehrspohn, Vorstandsvorsitzender des Forum Rathenau e.V.

Das Event wurde live gestreamt. Zum Video.

Der 100-prozentige Kohleausstieg wird sich auf die Verfügbarkeit von Sekundärrohstoffen auswirken

Sie machen derzeit in Deutschland gut 40 Prozent der mineralischen Baustoffe im Haus- und Straßenbau aus.

Bei den Verbrennungsprozessen in Braunkohlekraftwerken entstehen Gips und Flugasche, die als Zement-Zuschlagstoff eingesetzt wird. Im Hochofen wird zur Verhüttung von Stahl auch Kohlenstoff eingesetzt. Als Nebenerzeugnisse werden Sande und Schlacken produziert.

Wie können die 30 Millionen Tonnen an Baustoffen ersetzt werden? Ist die Nutzung natürlicher Vorkommen für Deutschland eine Alternative?

Es entstünden Kosten und sehr viel CO2. Sekundärrohstoffe seien dagegen direkt nutzbar. Es gebe Optionen für neue Sekundärrohstoffquellen, so Professor Wehrspohn, der auch Geschäftsführer des Deutschen Lithium-Instituts ist: „Wenn wir in großen Mengen Lithiumerze nach Deutschland importieren, um sie für Batteriespeicher weiterzuverarbeiten, entstehen auch anteilig Produkte wie Gips und Ton.“

Um die Klimaziele zu erreichen, müssen auch die Produktion der Sekundärrohstoffe und die natürliche Gewinnung der Rohstoffe CO2-neutral sein.

Wie dies gelingen kann, wird eine der Fragen sein, die im nächsten Carbon Cycle Culture Club (C4) diskutiert werden.

Als Podiumsgäste nahmen teil:

  • Andreas Heilmann, Geschäftsführer Baustoffe, GP Papenburg Entsorgung Ost GmbH
  • Professor Dr. Dr. h.c. Ulrich Blum, Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik, Martin-Luther-Universität Halle, Geschäftsführer Deutsches Lithiuminstitut GmbH (ITEL)
  • Matthias Hoger, Geschäftsführer der Veolia Klärschlammverwertung Deutschland GmbH
  • Tim Kleier, Head of Green Steel, SMS group GmbH

Inhaltlicher Rückblick:

Abwärme vom Korund-Kraftwerk nutzen

Für den geplanten Windpark in Zschornewitz stehen noch die (BImSchG) nach § 4 des Bundesimmissions­schutzgesetz aus, berichtet Ortsbürgermeisterin Martina Schön.

Von einem schönen Gespräch im benachbarten Korund-Kraftwerk, der Imerys Fused Minerals Zschornewitz GmbH, erzählt Professor Wehrspohn und begrüßt deren Geschäftsführer und den Verantwortlichen für Sicherheit beim C4. Er habe heute gelernt, dass die alte Grubenbahn von Ferropolis aus durch das Korund-Kraftwerk hindurch fährt, bevor sie zum ehemaligen Braunkohlekraftwerk Zschornewitz gelangt. Man denke darüber nach, die Abwärme der über 2000 Grad heißen Steine des Korund-Kraftwerks für die Erwärmung des ehemaligen Kraftwerks Zschornewitz zu nutzen.

Bereitschaft zum Umdenken nötig

„Wir sind dabei, unsere industrielle Produktion in zweierlei Hinsicht grundlegend zu verändern,“ sagt Andreas Heilmann und greift den Satz: „Wir bringen den Strom zu den Menschen“, der im C4-Einführungsfilm die Aufbruchstimmung im Jahr 1916 charakterisiert, auf. Wir stünden heute an einer ähnlichen Stelle.  In Deutschland werde der grüne Strom in die Industrieanlagen hinein gebracht und die Produktion etwas mehr ganzheitlich gesehen. Heilmann, der auch Landessprecher Sachsen-Anhalt des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V. (BDE) ist, betont, der Verband und die Entsorger hätten sich unheimlich angestrengt, um die Produktionsprozesse bis zu Ende anzuschauen und zu denken.

Andreas Heilmann im ehemaligen Kraftwerk Zschornewitz zu „Sekundären Rohstoffen“

Sehr frühzeitig habe es zu DDR-Zeiten mit dem SERO-System ein recht effizientes Sammel- und Aufbereitungssystem gegeben. Heilmann: „Ich finde es schade, dass allein die haushaltnahe Erfassung, die wir heute haben, bei weitem nicht so ausgeprägt ist wie wir das zu DDR-Zeiten hatten, als wir als Schüler Flaschen zur Wiederverwendung weggebracht haben und mit dem Handwagen, also ich in meiner Kindheit noch, das Papier weggebracht haben. Wir haben Lumpen gesammelt. Da haben wir überall einen Groschen bekommen, und wir haben darauf aufgepasst, dass das nicht verloren geht.“ Heute gebe es ein ausgeklügeltes Sammelsystem, aber in Deutschland nicht die entsprechende Wiederaufbereitungs­kapazität, um die erfassten Mengen vollständig aufzubereiten und dem Kreislauf wieder zuführen zu können.

„Eine Verschwendung von Rohstoffen, die für uns völlig unverständlich ist.“

Eine große Herausforderung sei es nun, die Recyclingmaterialien in Deutschland vollständig der Wiederverwertung zuzuführen. Dazu müssten auch mehr Aufbereitungskapazitäten geschaffen werden, die genügend Rohstoffe, Sekundärrohstoffe für die Wiederverwertung im Wirtschaftskreislauf, bereitstellten. Das bedeute allerdings auch, dass bei den Industrieunternehmen ein Umdenken stattfinden müsse, das zur Bereitschaft führe, diese aufbereiteten Kunststoffe oder auch Baustoffe einzusetzen. Hier bedürfe es auch entsprechender Regelungen durch den Gesetzgeber. Derzeit würden oft Primärrohstoffe den zertifizierten und von der Qualität gleichwertigen Sekundärrohstoffen vorgezogen.

Wertschöpfungsketten geraten aus den Fugen

Die Kohlenstoffkultur beginne eigentlich 8047 vor Christus, zur Zeit der sogenannten Neolithischen Revolution, meint Professor Blum. Sie beinhalte den biologischen Evolutionsschritt, dass die Laktosesensibilität bei einigen spontan aufhöre und den kulturellen Evolutionsschritt, das Eiweiß der Kuh konserviert werden könne, und der Mensch damit kulturfähig werde. Eine Koevolution, da beide Entwicklungsschritte nur zusammen möglich gewesen seien.

Prof. Ulrich Blum in der Schaltwarte des ehemaligen Kraftwerk Zschornewitz

Da diese alten Gesellschaften in Kreisläufen gedacht hätten, sei das für uns heute interessant.  Blum: „Das waren geschlossene Kreisläufe, die auch kulturell verankert waren.“ Heute könnten die Kreisläufe mit Preissystemen effizient gesteuert werden, wenn der Wille vorhanden sei. Beispielsweise könnten Land- und Forstwirte, die mittels ihrer Arbeit Kohlenstoff binden, vom Staat dafür finanzielle Mittel erhalten. Derzeit führten falsche Anbauformen aufgrund des forcierten technologischen Fortschritts in der Landwirtschaft oftmals dazu, dass diese CO2 produziere.

„Diese kleine Welt haben wir heute nicht mehr.“

Der richtige technologische Fortschritt wäre möglicherweise mit chemischen Stoffen und der Art und Weise der Beackerung der Böden machbar. Durch internationale Märkte und politische Preise gebe es heute die Relationen nicht mehr, die der Bauer früher vor Ort hatte. Er musste in seiner kleinen Welt optimierend denken. „Diese kleine Welt haben wir heute nicht mehr“, sagt Blum.

Im Rahmen der Defossilisierung Wandel nötig

Im Rahmen der Defossilisierung sei ein Wandel nötig, der dazu führe, dass die über lange Zeiten bewährte koevolutorisch entwickelten Wertschöpfungsketten aus den Fugen gerieten. Dabei handle es sich typischerweise um technologische. Wir bräuchten aktuell Prozesse, die Innovation auslösten und Anlagen ersetzten, um auch im Bereich der Sekundären Rohstoffe Prozesse zu ermöglichen, die die Herstellung von beispielsweise CO2-neutralem Gips und Zement ermöglichten. Früher hätten die neolitihschen Bauern für Anpassungen tausende von Jahren Zeit gehabt. Diese Zeit habe man heute nicht.

„Das wird uns ganz stark verändern.“

In Europa würden derzeit 15 Lithiumkonverter und Affinerien für die Autoproduktion benötigt, die nicht vorhanden seien. Eine ähnliche Größenordnung stehe durch die Produktion in China derzeit zur Verfügung. Es sei also erforderlich, in Europa Lithium zu erzeugen. Beim Nitratverfahren, das als Sekundärrohstoff Gips und Tonerde, nämlich Aluminiumsilikat, erzeuge, entstehe eine Hitze von 1100 Grad. Wenn es gelingen würde, dies hydraulisch so zu aktivieren, dass es zu einem Baustoff werde, könne man es noch um weitere 300 Grad erhitzen. Dann hätte man einen völlig neuen Kreislauf, der ganz andere Cluster erzeugen würde.

Da der Kohlenstoff künftig anders behandelt werden müsste, müssten auch andere Stoffe anders behandelt werden. Blum: „Das wird uns ganz stark verändern.“ Dafür auch die kulturellen Voraussetzungen zu schaffen, das sei eine Sache, der sich das Forum Rathenau durchaus annehmen könne.

„Dann würde ich mich freuen, wenn uns nachher jemand sagen könnte, weshalb die ganze Geschichte 8047 vor Christus losgegangen ist“, sagt Blum zum Abschluss.

Stahlproduktion in der Dekarbonisierung

70 Prozent der Stahlerzeugung insgesamt in Deutschland, das seien etwa 36 Millionen Tonnen im Jahr, würden mit einem Hochofen, der vor allem Eisenerz verflüssigt und zu einem flüssigen Roheisen reduziert, hergestellt, berichtet Tim Kleier. Die übrigen 30 Prozent würden in der sogenannten Elektrostahlroute produziert. Das seien ungefähr 11,5 Millionen Jahrestonnen. Hier werde vor allem Stahlschrott als Eingangsstoff verwendet. Kleier: „Das ist sehr, sehr nachhaltig. Der CO2-Ausstoß ist entsprechend gering.“ Etwa 85 bis 90 Prozent des Stahls würden für das Recycling wieder zurückgeführt. Stahl sei sehr gut recycelbar und könne vier, fünf oder sechsmal wieder eingeschmolzen werden und zu neuen Produkten verarbeitet werden.

Tim Kleier erläutert die Stahlproduktion im Rahmen der Dekarbonisierung

Bei der Elektrostahlroute falle Stahlwerksschlacke als Nebenprodukt an. Sie habe einen hohen Anteil an Eisenoxid, nämlich 20 bis 40 Prozent, und eigne sich nicht sehr gut, um weiterverwendet zu werden. Sie werde üblicherweise im Hafen- und Straßenbau als Füllmaterial unter den Bauwerken verwendet. Der wirtschaftliche Wert sei relativ gering. Im Gegensatz dazu könne die Schlacke, die aus dem Hochofen komme, sie werde als Hüttensand bezeichnet, zu kleinen Kügelchen granuliert werden. Diese würden gemahlen und könnten in der Zementproduktion als Substitut für „fossilen“ Klinker verwendet werden. Das führe zu signifikanten CO2-Einsparungen in der Zementherstellung. Kleier: „Da sprechen wir ungefähr von sechs Millionen Tonnen aktuell im Jahr. Das sind ungefähr 250 bis 300 Kilo Schlacke pro Tonne Roheisen aus dem Hochofenbetrieb.“

Wie wird sich das im Rahmen der Dekarbonisierung wandeln?

Ein Drittel der deutschen Stahlproduktion bedürfe, laut Kleier, keiner großen Anpassungen, um den CO2-Footprint zu senken. Die integrierte Route, mit derzeit zwei Tonnen CO2-Emissionen pro Tonne Stahl, die produziert werde, brauche deutlich mehr Starthilfe. Was könne getan werden? Kleier: „Wir, bei der SMS group GmbH zusammen mit der Paul Wurth, die in Luxemburg ansässig ist, haben hier den „Blue Blast Furnace“ im Angebot. Das sei ein Konzept, das Beiprodukte wie Hüttengase, die bei der Produktion anfielen, statt wie heute üblich für die Stromherstellung zu nutzen in einen Reformierungsprozess überführen würden. Es gebe verschiedene Technologien, die zur Anwendung kommen könnten, um dieses entstehende Synthesegas, das ist im Wesentlichen CO und Wasserstoff sei, im Hochofen erneut zu verwenden, um die Reduktion zu unterstützen. Dann könne auf einen Teil des fossilen Kokses im Hochofen verzichtet werden und dadurch der CO2-Footprint der Eisenerzeugung um rund 20 Prozent gesenkt werden. Das kombiniert mit Carbon Capture, Ansätze zur Verwendung des abgefangenen Kohlenstoffes aus den Abgasströmen, könne die Gesamtsenkung auf 30 bis 40 Prozent erhöhen.

Kohlenstoffneutralität werde nicht erreicht

Als nächster Schritt könne ein Teil des Schrotts eingeschmolzen werden, um einen Teil des Roheisens zu substituieren und den Gesamtfootprint zu verdünnen. Nichtsdestotrotz, die integrierte Route werde niemals kohlenstoffneutral werden. Kleier: „Wir bleiben auch schon ein gutes Stück hinter den Erwartungen, die die Stahlindustrie zu erfüllen hat, zurück. Mit diesem Verfahren könnten die EU-Ziele bis 2045 nicht erfüllt werden.

Andere Verfahren, die zur Verfügung stünden,  fußten auf einer gasbasierten Direktreduktion oder später auf einer wasserstoffbasierten Direktreduktion. Es gebe deutschlandweit genau eine Direktreduktionsanlage in Hamburg mit einer Kapazität von etwa 400.000 Jahrestonnen. Also etwa ein Prozent der deutschen Stahlerzeugung werde bereits in dieser Form erzeugt.

Die Stahlerzeugung erfolge in einem Lichtbogenofen nach oxidierendem Prozess, erzeuge eine Stahlwerksschlacke mit einem hohen Eisenoxidanteil, der für eine weitere Verwendung nur in geringer Qualitätsanwendung in Frage komme. Die Qualität des Stahls sei vergleichbar mit der Qualität des Stahls in der vollintegrierten Route. Auch wenn immer noch ein Anteil an Kohlenstoff gebraucht würde, sei das Potential sehr hoch, sehr nah an die CO2-Neutralität zu kommen. Es seien immer noch etwa ein bis zwei Prozent Kohlenstoff in der Schmelze aus prozesstechnischen Gründen nötig. Ganz eliminieren lasse sich der Kohlenstoff auch auf dieser Route, auch beim Einsatz von grünem Wasserstoff, nicht. Statt der zwei Tonnen ursprünglich würden jedoch nur etwa 200 Kilo als Gesamtemission ausgestoßen. Das sei sehr nah am Gesamtziel.

Das Problem mit der Schlacke

Um das Problem mit der Schlacke ein bisschen abzumildern, gebe es eine weitere Route, die die Übertragung einer Technologie ermögliche, die beim Einschmelzen von Ferrochrom, Ferromangan und Ferronickel schon sehr verbreitet sei. Das werde üblicherweise in einem reduzierenden Schmelzofen vorgenommen. Diese reduzierenden Schmelzöfen könnten auch in der Stahlerzeugung eingerichtet werden. Das sei auch schon ein paarmal in der Welt passiert. Es gebe einige Referenzen, die das heute genauso machten. Der Prozess sei bisher noch nicht wirtschaftlich im Vergleich mit der integrierten Route, da der Strombedarf sehr hoch sei. Es bräuchte entsprechende Mengen an Schmelzenergie. Im Vergleich sei die Kohle bisher zu günstig gewesen. Jetzt durch die neue Legislatur und durch die Kohlenstoffpreise werde dieses Verfahren immer attraktiver auch für europäischen Stahlwerke. Es gebe mittlerweile vier große integrierte Werke in Europa, die sich eingehend mit dieser Reduktionsschmelzer-Technologie beschäftigten.

Die Schlacke, die im Reduktionsschmelzer erzeugt werden könne, habe sehr ähnliche Eigenschaften wie die Hochofenschlacke mit nur sehr geringen Eisenoxidanteilen von nur 0,6 oder 0,7 Prozent. Sie könne auf die gleiche Art und Weise granuliert, entwässert und gemahlen und zu einer Art Klinker-Substitut-Schlacke in der Zementproduktion verwendet werden. Allerdings mit der Einschränkung: Die Schlackenmenge aus dem Reduktionsschmelzer sei geringer, also etwas weniger als die Hälfte der Schlackenmenge für die gleiche Stahlproduktion. Im Reduktionsofenprozess würden deutlich weniger Reduktionsmittel eingesetzt. Beide Routen sparten auch schon Gas, also mit Erdgas als Reduktionsstoff.  Es würden über 50 Prozent der CO2-Emissionen, die normalerweise entstehen würden, eingespart.

Wann wird aus Abfall ein Sekundärrohstoff?

„Was machen wir mit dem Klärschlamm, der in vielen Kraftwerken mit durchfährt, wenn wir aus der Braunkohle aussteigen?“, fragt Professor Wehrspohn. In Deutschland fielen jährlich etwa 7,5 bis acht Millionen Tonnen Klärschlamm an, erläutert Matthias Hoger. Klärschlamm, der vor vielen Jahren in Deutschland landwirtschaftlich verwertet worden sei, dürfe heute aus Bodenschutzgründen nur thermisch verwertet werden. Schlämme, die nach deutschem Recht nicht als Düngemittel einsetzbar sind, müssten verbrannt werden. Es seien nach dem Jahr 2005 speziell in unseren Regionen, so Hoger, Kapazitäten in Kohlekraftwerken aufgemacht worden. Im Westen Deutschlands seien viele Klärschlammverbrennungsanlagen gebaut worden.

C4-Moderator Prof. Wehrspohn bittet Matthias Hoger um seine Einschätzungen zur künftigen Klärschlammverwertung

Die Zementindustrie nehme zudem in der thermischen Verwertung im Rahmen der Mitverbrennung Schlämme auf, die getrocknet sind. Durch die Novellierung der Abfallklärschlammverordnung, die im Jahr 2017 rechtskräftig wurde, sei es mit einer Übergangsfrist verboten, Klärschlamm stofflich zu verwenden, da eine Recyclingpflicht für die Aufgabenträger, nämlich die Kunden der Veolia Klärschlammverwertung Deutschland GmbH, wie Zweckverbänden und Kommunen, bestehe.

„Wir versuchen, Ressourcen zu schonen und die im Kreislauf befindlichen Ressourcen wieder nutzbar zu machen.“

Es sei vorgegeben, 80 Prozent des enthaltenen Phosphates zu recyceln, da Phosphat als Grundstoff für sämtliche organischen Stoffwechselsysteme im Jahr 2014 in Europa als kritischer Rohstoff erklärt worden sei. Bei Phosphat handle es sich um einen endlichen Primärrohstoff, der zudem geopolitisch ungleich verteilt sei. Hoger: „Deswegen ist die Idee richtig, Phosphat zu recyceln.“ Sein Unternehmen möchte aus phosphathaltigen Stoffen, wie zum Beispiel Klärschlammasche, die nach der Verbrennung übrig bliebe, Phosphate rückgewinnen und in Form von Düngemittel in einen Kreislauf zurückführen. Hoger: „Wir versuchen, Ressourcen zu schonen und die im Kreislauf befindlichen Ressourcen wieder nutzbar zu machen.“

In der Asche seien im Schnitt etwa 18 bis 20 Masseprozent Phosphat enthalten. Dieses Phosphat müsse nun den Pflanzen verfügbar gemacht werden, da die Phosphatverbindungen nach der Verbrennung schwer löslich und für die Pflanze nicht sofort aufnehmbar sei. Ebenso wie in der klassischen Düngemittelindustrie werde ein Säureaufschluss gemacht. Mit der Aschematrix werde eine Suspension hergestellt und die Phosphate aus der mineralischen Phase in eine wasserlösliche Phase umgewandelt. Zudem müsse eine Konfektionierung und eine entsprechende Qualitätsanpassung stattfinden, um die Produkte in der Landwirtschaft einsetzbar zu machen. Hoger: „Denn wir reden hier ja nach wie vor von Abfällen.“

Es gebe zehn bis 20 verschiedene Klärschlämme aus denen Produkte, die dem Düngemittelrecht entsprechen, hergestellt würden. Dafür würde die Asche zunächst aufgelöst und über eine Fest-Flüssig-Trennung entwässert. In der so gewonnenen Phosphatlösung seien aber auch Schwermetalle, die aus der Asche herausgelöst wurden, enthalten. Nach sechs bis acht Umläufen mit dem gleichen Wasser sei der Kreislauf so weit gesättigt, dass sich eigentlich nichts mehr lösen würde. Der Kreislauf sei nicht geschlossen, sondern der Feststoffanteil würde im feuchten Anteil mitausgetragen.

Je nach Einstellung der entsprechenden Fest-Flüssig-Trennungs-Technologie mit der Rahmfilterpresse enthalte der Feststoff 30 bis 35 Prozent Feuchtigkeit. Alles was nach dem sechsten bis achten Einsatz aus der Asche herausgelöst sei, verlasse den Kreislauf über den feuchten Feststoff und diene als gelöster Nährstoff. Danach komme Trocknung, Granulation sowie weitere Bearbeitungsschritte und die Zugabe von Nährstoffen. So würde standardisierter Dünger, den die Landwirte schon kennen, nachgeahmt. Auch neue Produkte, die die gleichen Eigenschaften hätten wie Mineraldünger, die aus natürlichen Produkten hergestellt werden, könnten so produziert werden.

Ein weiterer Schwerpunkt dieser Technologieentwicklung sei es, dass die Gesetze des Abfallrechts und des Düngemittelrechts eingehalten werden müssten. Eine sehr große Säule sei die „End-of-waste-Thematik“, nämlich wann die Asche nicht mehr als Abfall, sondern als Sekundärrohstoff eingestuft werden könne. Schon vor fünf Jahren habe sich die Unternehmensleitung von Veolia entschieden ein Verfahren entwickeln zu wollen, das Schwermetalle abreichere um die Düngemittelverordnungen einhalten zu können.

Die entsprechenden Anlagen seien im März diesen Jahres in Betrieb genommen worden. Ziel sei es, Ende des Jahres erste Granulate zu produzieren und im eigenen Versuchsgewächshaus und in eigenen Freilandversuchsflächen an Pflanzen zu testen und in einem nächsten Schritt mit Landwirten und dem Großhandel über Produktabsätze zu reden.

Weitere Fragestellungen, Diskussionen und Anregungen können Sie in der Aufzeichnung unseres Livestreams verfolgen:

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